Jahresrückblick 2024

Jahresrückblick 2024

A shortened English version of my year-in-review can be found below.

 

2024 war ein Jahr voller unvergesslicher Momente, beeindruckender Projekte und inspirierender Begegnungen.

Nach Neujahr habe ich mein Studium am Goering Institut in München fortgesetzt.

Jetzt, Ende des Jahres 2024, befinde ich mich genau in der Mitte meiner dreijährigen Ausbildung zur Restauratorin für Möbel und Holzobjekte.
Das Jahr begann mit einem besonderen Werkstück: Ein Massivholzbrett mit Nussbaumfurnier und einer filigranen Libellenmarketerie. Gekrönt wurde das Projekt mit einer glänzenden Schellackpolitur.

Im Mai schloss ich eine Replika eines Blumenornaments von Ignaz Günther ab – geschnitzt aus Lindenholz und mit Poliment- und Ölvergoldung veredelt. Zwei traditionsreiche Vergoldungstechniken, die mich sowohl technisch als auch ästhetisch faszinieren.

Eine selbstgeschmiedete Anreissnadel mit gehärteter Spitze und Geissfuss (Nagelzieher) war ein weiteres Highlight.

Im April hatten wir die Gelegenheit, ein faszinierendes Referat über die Restaurierung eines der weltweit nur noch vier erhaltenen Lilienthal Normal-Segelapparate zu erleben.

Dieses aussergewöhnliche Restaurierungsprojekt des Deutschen Museums ist nicht nur technisch äusserst anspruchsvoll, sondern auch kulturhistorisch von unschätzbarem Wert, da es eines der ersten flugfähigen Gleitflugzeuge der Geschichte repräsentiert.

Die Restaurierung erfordert ein Höchstmass an Präzision und interdisziplinärem Fachwissen, um die ursprünglichen Materialien und Konstruktionsmethoden möglichst authentisch zu bewahren. Ein wahrhaft einmaliges Unterfangen, das den Pioniergeist der Luftfahrtgeschichte lebendig hält.

Im Frühjahr beschäftigte ich mich intensiv mit den Holzmöbeln von Herculaneum (vgl. dazu das Buch «Wooden Furniture in Herculaneum» von Stephan T.A.M. Mols).

Seine eingehende Analyse ist herausragend, und ich empfehle sie allen, die sich für antike Möbel, das Leben in den vesuvianischen Städten oder die materielle Kultur der frühen Römischen Kaiserzeit interessieren.

Die Kunstfertigkeit der römischen Handwerker und ihre meisterhafte Beherrschung von Holz und Verbindungstechniken haben mich tief beeindruckt.

Ihre Errungenschaften wirken bis heute nach.

Buchcover: Wooden Furniture in Herculaneum - Form, Technique and Function von Stephan T.A.M. Mols
Kassettendecke aus dem Haus des Telephus-Reliefs in Herculaneum Bildquelle: Minerva Magazin

Eine der bedeutendsten Entdeckungen in Herculaneum in den letzten Jahrzehnten erfolgte 2009/10, als das eingestürzte Holzdach und Teile der Kassettendecke aus dem Haus des Telephus-Reliefs von einem verschütteten Strand geborgen wurden.


Diese Art von Kassettendecke sollte Jahrhunderte später Standard für Kirchen und Paläste in der italienischen Renaissance werden

👉🏽  Wooden wonders of Herculaneum

Während der Frühlingsferien arbeitete ich in meiner Werkstatt und stellte Schneidebretter mit Hirnholzleisten aus Nuss- und Ahornholz her.

Auch Exkursionen bereicherten mein Jahr: Im Juni besuchten wir das Bauerngerätemuseum in Ingolstadt. Die Ausstellung „Schmied und Schlosser“ führte uns zurück in die traditionellen Arbeitswelten von Dorfschmied und Schlosser. 
Im November besichtigten wir die Burg Trausnitz, die Stiftsbasilika St. Martin in Landshut und Schloss Sünching, dessen Deckenfresko von Matthäus Günther sowie die geschnitzten Genien mit Engel des Bildhauers Franz Ignaz Günther mich besonders beeindruckten.

Die Sommerferien führten mich nach Peru, mein Mutterland. Ich besuchte Familie und Freunde, erkundete Arequipa, das Heilige Tal der Inkas, Cusco und die Coricancha, das wichtigste Heiligtum des Inkareichs. Darin befindet sich der Tempel der Göttin Chaska (Venus, Isis, Aphrodite, Ištar bzw. Astarte in anderen Kulturen), nach der ich benannt wurde und die mir eine besondere Verbindung zu meiner kulturellen Herkunft verleiht.

Diese Reise verband mich tief mit meinen Wurzeln.

👉🏽 Die Spirale – Ausdruck der Lebensenergie

Kaum zurück, reiste ich nach Venedig zur Biennale Homo Faber. Besonders stolz bin ich, dass ich in den Homo Faber Guide aufgenommen wurde – und nun Teil dieses Netzwerks für europäisches Kunsthandwerk bin.

Der Besuch bei Marino Menegazzo, dem letzten Goldschläger Venedigs, war einer der Höhepunkte dieses Jahres.

Seine Kunst, Blattgold von Hand herzustellen, hat mich tief beeindruckt.

Marino Menegazzo, der letzte Goldschläger Venedigs

Im Herbst nahm ich mein Studium wieder auf und vertiefte mich in die Herstellung von Stuckmarmor.

Am 20. Oktober, dem Tag der Restaurierung, besuchte ich verschiedene Museen und Werkstätten. Wenige Tage später fand die Internationale Kunstmesse in der Residenz München statt, wo ich die Gelegenheit hatte, aussergewöhnlich kunstvolle antike Möbelstücke zu bewundern.

In meinen Herbstferien leitete ich den Holzbearbeitungskurs «Möbelherstellung aus Massivholz», in dem ich mit einem Kunden einen Beistelltisch aus Ahorn- und Nussbaumholz fertigte.

Ein weiteres Highlight war die Restaurierung eines Neo-Renaissance-Truhenschranks, den meine Kollegin und ich nach 235 Arbeitsstunden im November fertigstellten.

Kurz vor Weihnachten begann ein neues Projekt: die Figur des Hl. Damian sowie sechs Moriskentänzer warten auf ihre Restaurierung – eine spannende Herausforderung zu Beginn des Jahres 2025.

Moriskentänzer
Heiliger Damian

Ein grosser Dank geht an alle, die dieses Jahr so besonders gemacht haben. 💛

Chaska Schuler, Dezember 2024

Year in Review 2024

2024 was a year filled with unforgettable moments and inspiring encounters.

After the New Year, I continued my studies at the Goering Institute, and as 2024 comes to a close, I find myself halfway through my three-year training to become a restorer of furniture and wooden objects.

The year began with a special project: a solid wood board veneered with walnut and adorned with a delicate dragonfly marquetry. The piece was finished with a glossy shellac polish. In May, I completed a replica of a floral ornament by Ignaz Günther, carved from limewood and enhanced with traditional bole and oil gilding techniques, both of which captivate me.

I also delved deeply into the remarkable wooden furniture from Herculaneum (79 AD).

A self-forged scribing needle with a hardened tip and a nail puller was another highlight.

Field trips enriched my year as well: in June, we visited the Rural Equipment Museum in Ingolstadt, while in November, we explored Trausnitz Castle, the Collegiate Basilica of St. Martin, and Sünching Castle, with its impressive ceiling fresco by Matthäus Günther.

The summer holidays took me to Peru, my motherland. I visited Arequipa, the Sacred Valley of the Incas, Cusco, and the Coricancha, which houses the Temple of the Goddess Chaska (Venus) – after whom I am named. This journey deeply connected me with my roots.

Upon my return, I traveled to Venice for the Homo Faber Biennale. I am especially proud to have been featured in the Homo Faber Guide and to now be a part of this network of European craftsmanship. A highlight of my trip was meeting Marino Menegazzo, the last goldbeater in Venice. His skill in creating gold leaf by hand deeply impressed me.

After the summer, I focused on creating scagliola and restoring a Neo-Renaissance chest cabinet, which my colleague and I completed in November after 235 hours of work.

During the spring and autumn holidays, I worked in my workshop, crafting cutting boards with breadboard ends, and taught a woodworking course in which I guided a client in crafting a side table.

Thank you to everyone who made this year so special. 💛

Chaska Schuler, December 2024

Kurs „Möbelherstellung aus Massivholz“

Kurs „Möbelherstellung aus Massivholz“

✨ Soeben habe ich einen mehrtägigen Holzbearbeitungskurs abgeschlossen, in dem mein Kunde diesen eleganten Beistelltisch erschaffen hat!✨

Gefertigt aus Ahorn- und Nussholz, besticht dieser Tisch durch sein leichtes, luftiges Design.

Die Tischplatte hebt sich dank der Schattenfuge schwebend von der Unterkonstruktion ab.

Die Beine verjüngen sich auf zwei Seiten und verleihen dem Tisch eine raffinierte Eleganz, während auf Gehrung gesägte Blindzapfen eine unsichtbare, stabile Verbindung schaffen.

Das Finish mit Rubio Monocoat Oil Plus 2C „Pure“ bringt die natürliche Schönheit des Holzes zur Geltung.

Michael Cordes und sein Beistelltisch aus Ahorn- und Nussholz

Es ist zutiefst bereichernd, andere in die Welt der Massivholz-Möbelherstellung einführen zu dürfen.
In diesem Kurs sind wir gemeinsam den Weg von rohem Holz bis hin zum fertigen Möbelstück gegangen. Es entstand ein formschönes und handwerklich sorgfältig ausgeführtes Einzelstück.

Ein herzliches Dankeschön geht an Michael und Claudia, dass sie diesen Kurs bei mir gebucht haben. Es war mir eine grosse Freude, dieses Projekt mit Michael umzusetzen und ihn Schritt für Schritt zu begleiten.

Beistelltisch aus Ahorn- und Nussbaum

Liebe Chaska
Du hast den Kurs mit riesiger Geduld und Ruhe geführt – Kompliment 👍🏼 absolut stark.

Wir sind begeistert von dir!
Das Tischchen ist grossartig geworden und hat einen schönen Platz in unserem Zuhause erhalten.
Wir haben viele positive Eindrücke mitgenommen und danken dir für die schöne Erfahrung und die guten Inputs.

Michael Cordes & Claudia von Felten

Kursteilnehmer

Im folgenden Video sind die Vorbereitungsarbeiten für den Kurs zu sehen:

Brieföffner

Brieföffner

Brieföffner aus Nussbaum, Ahorn oder Kirsche.

Auf dem CAD-Programm Autodesk Fusion 360 habe ich den Brieföffner designt und anschliessend die Fräsform auf die Shaper übertragen.

Dann habe ich die Form ausgefräst. Dabei habe ich darauf geachtet, nicht komplett durchzufräsen …

Wie es weitergeht, sehen sie im nachfolgenden Video …

Die fertigen Brieföffner habe ich zum Schluss mit RMC Oil Plus 2C „Pure“ behandelt, wodurch das Holz wunderbar angefeuert wird und die Holzmaserung deutlicher hervortritt. Dieser Effekt ist bei den dunklen Hölzern stärker.

Beistelltisch aus Buchen- und Nussholz

Beistelltisch aus Buchen- und Nussholz

Beistelltisch aus Buchen- und Nussholz

Ein luftiger Beistelltisch aus Buchen- und Nussholz für eine Orchidee.

Die Eckverbindungen bestehen aus jeweils zwei in Gehrung geschnittene Blindzapfen. Sie sind auf drei Seiten zurückgesetzt.

 Der Beistelltisch (L: 36cm x B: 36cm x H:46cm) kann käuflich erworben werden.

Hier geht es zum Angebot.
Der Beistellstisch ist auch in diversen anderen Holzkombinationen erhältlich. Teilen Sie mir Ihren Wunsch mit.

Sie können den Beistelltisch auch in einem 4-tägigen Holzbearbeitungskurs unter meiner Leitung selber herstellen.
Hier geht es zu den noch offenen Kurs-Terminen fürs Jahr 2025.

Im Folgenden einige Bilder & Videos, die einen Eindruck von der Entstehung des Tisches vermitteln.

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Sumidome Hozo sashi – eine japanische Eckverbindung

Sumidome Hozo sashi – eine japanische Eckverbindung

Sumidome Hozo sashi - Japanische Eckverbindung

Im Buch „The Complete Japanese Joinery“ von Hideo Sato und Yasua Nakahara wird unter ‚Eckverbindungen‘ die hochqualitative Verbindung Sumidome Hozo Sashi – 隅留めほぞ差し  (Tongue and Groove Shoulder Miter Joint) vorgestellt.

隅留め (sumidome) bedeutet „Winkel“
ほぞ (hozo) bedeutet „Zapfen“
差し (sashi) bedeutet „einfügen“

Die Verbindung wird im Rahmenbau, aber auch für Bodenschwellen im japanischen Häuserbau verwendet.

Sie kann ebenso vielseitig im Möbelbau eingesetzt werden.
In einer Abwandlung (dodai sumidome hozo sashi shiguchi /土台隅留め枘差し仕口) dient sie sogar als dreiteilige Eckverbindung – bspw. bei einem Tisch (Rahmen und Tischbein).

Im Folgenden zeige ich die Herstellung dieser komplexen Eckverbindung. Die Hauptschwierigkeit lag für mich in der Bestimmung der Abfolge, sodass möglichst wenige Risse unterwegs verloren gehen.

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Schneidebrett aus Nussholz mit Gratleisten

Schneidebrett aus Nussholz mit Gratleisten

Schneidebrett aus Nussbaumholz mit Gratleisten

Das Schneidebrett aus Nussbaum mit Gratleisten habe ich fast vollständig von Hand gemacht.

Nach dem Aushobeln und Zuschneiden des Brettes verwendete ich den Grathobel für die Gratleisten, die Japansägen Azebiki Nokogiri für den blinden Einschnitt sowie die Dōzuki, um die Schulter der Gratnut fertig zu sägen.

Anschliessend habe ich mit dem Stechbeitel und dem Grundhobel die Gratnut ausgeräumt und egalisiert.

Die Oberflächen bearbeitete ich mit dem Japanhobel sowie der Ziehklinge. Mit dem Fasenhobel habe ich die Kanten anschliessend gebrochen.

Die Frassspuren des Holzwurmes füllte ich mit dem härtesten natürlichen Wachs der Welt: Carnabauwachs.

Die Oberfläche des Schneidebrettes behandelte ich mit natürlichem Walnussöl. Es braucht zwar etwas länger um zu trocknen, doch ist es dafür 100% lebensmittelecht.

Für Arbeiten, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, verwende ich Walnussöl.

Andere natürliche Öle, welche zu den härtenden Ölen gehören, sind Leinöl oder auch Tungöl.

Das Tungöl ist meiner Meinung nach nicht lebensmittelecht, da es einen geringen Anteil an Di- und Triterpenester enthält (Wolfsmilchgewächs). Es ist aber besonders für Möbel (im Innen- und Aussenbereich) geeignet, da es tief in die Holzoberfläche eindringt, wodurch sie mechanisch widerstandsfähiger und im hohem Masse wasserresistent wird. Tungöl hat ca. den doppelten Schutzfaktor im Vergleich zum Leinöl. 

Ich verwende aushärtende Öle ohne Sikkative, denn durch die Verkürzung der Trocknungszeit dringt das Öl weniger tief in das Holz ein, wodurch die Langzeitschutzwirkung verringert wird.

 

chaskART