Jahresrückblick 2024

Jahresrückblick 2024

A shortened English version of my year-in-review can be found below.

 

2024 war ein Jahr voller unvergesslicher Momente, beeindruckender Projekte und inspirierender Begegnungen.

Nach Neujahr habe ich mein Studium am Goering Institut in München fortgesetzt.

Jetzt, Ende des Jahres 2024, befinde ich mich genau in der Mitte meiner dreijährigen Ausbildung zur Restauratorin für Möbel und Holzobjekte.
Das Jahr begann mit einem besonderen Werkstück: Ein Massivholzbrett mit Nussbaumfurnier und einer filigranen Libellenmarketerie. Gekrönt wurde das Projekt mit einer glänzenden Schellackpolitur.

Im Mai schloss ich eine Replika eines Blumenornaments von Ignaz Günther ab – geschnitzt aus Lindenholz und mit Poliment- und Ölvergoldung veredelt. Zwei traditionsreiche Vergoldungstechniken, die mich sowohl technisch als auch ästhetisch faszinieren.

Eine selbstgeschmiedete Anreissnadel mit gehärteter Spitze und Geissfuss (Nagelzieher) war ein weiteres Highlight.

Im April hatten wir die Gelegenheit, ein faszinierendes Referat über die Restaurierung eines der weltweit nur noch vier erhaltenen Lilienthal Normal-Segelapparate zu erleben.

Dieses aussergewöhnliche Restaurierungsprojekt des Deutschen Museums ist nicht nur technisch äusserst anspruchsvoll, sondern auch kulturhistorisch von unschätzbarem Wert, da es eines der ersten flugfähigen Gleitflugzeuge der Geschichte repräsentiert.

Die Restaurierung erfordert ein Höchstmass an Präzision und interdisziplinärem Fachwissen, um die ursprünglichen Materialien und Konstruktionsmethoden möglichst authentisch zu bewahren. Ein wahrhaft einmaliges Unterfangen, das den Pioniergeist der Luftfahrtgeschichte lebendig hält.

Im Frühjahr beschäftigte ich mich intensiv mit den Holzmöbeln von Herculaneum (vgl. dazu das Buch «Wooden Furniture in Herculaneum» von Stephan T.A.M. Mols).

Seine eingehende Analyse ist herausragend, und ich empfehle sie allen, die sich für antike Möbel, das Leben in den vesuvianischen Städten oder die materielle Kultur der frühen Römischen Kaiserzeit interessieren.

Die Kunstfertigkeit der römischen Handwerker und ihre meisterhafte Beherrschung von Holz und Verbindungstechniken haben mich tief beeindruckt.

Ihre Errungenschaften wirken bis heute nach.

Buchcover: Wooden Furniture in Herculaneum - Form, Technique and Function von Stephan T.A.M. Mols
Kassettendecke aus dem Haus des Telephus-Reliefs in Herculaneum Bildquelle: Minerva Magazin

Eine der bedeutendsten Entdeckungen in Herculaneum in den letzten Jahrzehnten erfolgte 2009/10, als das eingestürzte Holzdach und Teile der Kassettendecke aus dem Haus des Telephus-Reliefs von einem verschütteten Strand geborgen wurden.


Diese Art von Kassettendecke sollte Jahrhunderte später Standard für Kirchen und Paläste in der italienischen Renaissance werden

👉🏽  Wooden wonders of Herculaneum

Während der Frühlingsferien arbeitete ich in meiner Werkstatt und stellte Schneidebretter mit Hirnholzleisten aus Nuss- und Ahornholz her.

Auch Exkursionen bereicherten mein Jahr: Im Juni besuchten wir das Bauerngerätemuseum in Ingolstadt. Die Ausstellung „Schmied und Schlosser“ führte uns zurück in die traditionellen Arbeitswelten von Dorfschmied und Schlosser. 
Im November besichtigten wir die Burg Trausnitz, die Stiftsbasilika St. Martin in Landshut und Schloss Sünching, dessen Deckenfresko von Matthäus Günther sowie die geschnitzten Genien mit Engel des Bildhauers Franz Ignaz Günther mich besonders beeindruckten.

Die Sommerferien führten mich nach Peru, mein Mutterland. Ich besuchte Familie und Freunde, erkundete Arequipa, das Heilige Tal der Inkas, Cusco und die Coricancha, das wichtigste Heiligtum des Inkareichs. Darin befindet sich der Tempel der Göttin Chaska (Venus, Isis, Aphrodite, Ištar bzw. Astarte in anderen Kulturen), nach der ich benannt wurde und die mir eine besondere Verbindung zu meiner kulturellen Herkunft verleiht.

Diese Reise verband mich tief mit meinen Wurzeln.

👉🏽 Die Spirale – Ausdruck der Lebensenergie

Kaum zurück, reiste ich nach Venedig zur Biennale Homo Faber. Besonders stolz bin ich, dass ich in den Homo Faber Guide aufgenommen wurde – und nun Teil dieses Netzwerks für europäisches Kunsthandwerk bin.

Der Besuch bei Marino Menegazzo, dem letzten Goldschläger Venedigs, war einer der Höhepunkte dieses Jahres.

Seine Kunst, Blattgold von Hand herzustellen, hat mich tief beeindruckt.

Marino Menegazzo, der letzte Goldschläger Venedigs

Im Herbst nahm ich mein Studium wieder auf und vertiefte mich in die Herstellung von Stuckmarmor.

Am 20. Oktober, dem Tag der Restaurierung, besuchte ich verschiedene Museen und Werkstätten. Wenige Tage später fand die Internationale Kunstmesse in der Residenz München statt, wo ich die Gelegenheit hatte, aussergewöhnlich kunstvolle antike Möbelstücke zu bewundern.

In meinen Herbstferien leitete ich den Holzbearbeitungskurs «Möbelherstellung aus Massivholz», in dem ich mit einem Kunden einen Beistelltisch aus Ahorn- und Nussbaumholz fertigte.

Ein weiteres Highlight war die Restaurierung eines Neo-Renaissance-Truhenschranks, den meine Kollegin und ich nach 235 Arbeitsstunden im November fertigstellten.

Kurz vor Weihnachten begann ein neues Projekt: die Figur des Hl. Damian sowie sechs Moriskentänzer warten auf ihre Restaurierung – eine spannende Herausforderung zu Beginn des Jahres 2025.

Moriskentänzer
Heiliger Damian

Ein grosser Dank geht an alle, die dieses Jahr so besonders gemacht haben. 💛

Chaska Schuler, Dezember 2024

Year in Review 2024

2024 was a year filled with unforgettable moments and inspiring encounters.

After the New Year, I continued my studies at the Goering Institute, and as 2024 comes to a close, I find myself halfway through my three-year training to become a restorer of furniture and wooden objects.

The year began with a special project: a solid wood board veneered with walnut and adorned with a delicate dragonfly marquetry. The piece was finished with a glossy shellac polish. In May, I completed a replica of a floral ornament by Ignaz Günther, carved from limewood and enhanced with traditional bole and oil gilding techniques, both of which captivate me.

I also delved deeply into the remarkable wooden furniture from Herculaneum (79 AD).

A self-forged scribing needle with a hardened tip and a nail puller was another highlight.

Field trips enriched my year as well: in June, we visited the Rural Equipment Museum in Ingolstadt, while in November, we explored Trausnitz Castle, the Collegiate Basilica of St. Martin, and Sünching Castle, with its impressive ceiling fresco by Matthäus Günther.

The summer holidays took me to Peru, my motherland. I visited Arequipa, the Sacred Valley of the Incas, Cusco, and the Coricancha, which houses the Temple of the Goddess Chaska (Venus) – after whom I am named. This journey deeply connected me with my roots.

Upon my return, I traveled to Venice for the Homo Faber Biennale. I am especially proud to have been featured in the Homo Faber Guide and to now be a part of this network of European craftsmanship. A highlight of my trip was meeting Marino Menegazzo, the last goldbeater in Venice. His skill in creating gold leaf by hand deeply impressed me.

After the summer, I focused on creating scagliola and restoring a Neo-Renaissance chest cabinet, which my colleague and I completed in November after 235 hours of work.

During the spring and autumn holidays, I worked in my workshop, crafting cutting boards with breadboard ends, and taught a woodworking course in which I guided a client in crafting a side table.

Thank you to everyone who made this year so special. 💛

Chaska Schuler, December 2024

Neo-Renaissance-Truhenschrank – Ein Zeugnis des späten 19. Jahrhunderts

Neo-Renaissance-Truhenschrank – Ein Zeugnis des späten 19. Jahrhunderts

The English text can be found below.

Dieser zweiteilige Truhenschrank, den ich zusammen mit meiner Kollegin restauriert habe, ist ein herausragendes Beispiel für die deutsche Neo-Renaissance (1870–1890). Das Möbel vereint typische Stilelemente der Gründerzeit mit handwerklichen Besonderheiten, die auf eine Fertigung im bäuerlichen Kontext schliessen lassen.

Konstruktion und Gestaltung:
Der Schrank besteht aus zwei nicht fest verbundenen Korpussen aus verschiedenen Holzarten (Nussbaum, Birke, Fichte), die sich in Maßen, Ausführung und Ornamentik unterscheiden. Die horizontale Gliederung erfolgt durch profilierte Leisten mit Hohlkehlen und Zahnschnitt-Ornamentik, während vertikale Pilaster mit Schuppenbändern und Diamantquaderungen das Design prägen.

Die Türen der unteren Truhe sind Rahmen-Füllungskonstruktionen, während die des oberen Korpus aus massivem Holz mit aufgeblendeten Zierleisten und Rundbogenmotiven bestehen. Besonders auffällig sind die geschnitzten Engelsköpfe mit feinen Akanthusranken, die sehr detailliert und feingliederig ausgeführt sind.

Kunsthistorische Einordnung:
Die Gestaltungselemente spiegeln die Stilmischung des 19. Jahrhunderts wider: Gründerzeit-Ornamentik kombiniert mit barocken Einflüssen in den Engelsmotiven.
Der Stil der Neo-Renaissance blühte als Teil des Historismus auf, einer Bewegung, die darauf abzielte, vergangene Stile wiederzubeleben.

Interessant ist die Diskrepanz zwischen aufwendiger Ornamentik und schlichter Ausführung, die auf eine regionale Werkstatt hinweist.

Wiederverwendete Beschläge wie geschmiedete Langbänder, Federschnäpper und Schliessbleche unterstreichen zudem die wechselnde Nutzungsgeschichte dieses faszinierenden Möbels.

Weitere Eindrücke zur Restaurierung des Neo-Renaissanc-Truhenschranks im folgenden Video:
Further insights into the restoration of the Neo-Renaissance chest cabinet in the following video:

Neo-Renaissance Chest Cabinet – A testament to the late 19th Century

This two-part chest cabinet, which I restored together with my colleague, is an outstanding example of German Neo-Renaissance design (1870–1890). The piece combines typical Gründerzeit stylistic elements with craftsmanship details indicative of production in a rural context.

Construction and Design:
The cabinet comprises two separate, unconnected sections made from various types of wood (walnut, birch, and spruce), differing in dimensions, execution, and ornamentation. Its horizontal structure is defined by profiled moldings with hollow chamfers and dentil ornamentation, while vertical pilasters decorated with scaled bands and diamond-shaped motifs accentuate the design.

The doors of the lower chest feature classic frame-and-panel construction, whereas those of the upper section are crafted from solid wood, embellished with applied moldings and arched motifs. Particularly striking are the carved angel heads with delicate acanthus foliage, executed with exceptional precision and intricacy.

Art Historical Context:
The design elements reflect the eclectic style of the 19th century: Gründerzeit ornamentation blended with Baroque influences in the angel motifs.

The Neo-Renaissance style flourished as part of Historicism, a movement that sought to revive past styles.

Notable is the contrast between elaborate ornamentation and simpler craftsmanship, suggesting production in a regional workshop.

Reused fittings such as forged strap hinges, spring latches, and strike plates further emphasize the evolving history of this fascinating piece of furniture.

Woche der Restaurierung und Europäischer Tag der Restaurierung (20.10.2024)

Woche der Restaurierung und Europäischer Tag der Restaurierung (20.10.2024)

Der nächste Europäische Tag der Restaurierung ist am 20. Oktober 2024!

Entdecken Sie die Arbeit der Restauratorinnen und Restauratoren, die sonst im Verborgenen liegt.

In ganz Europa laden wir Sie dazu ein, in den Ateliers und auf den Baustellen Fallbeispiele aktueller Konservierungs- und Restaurierungsprojekte kennenzulernen.

Die Restaurierung ist eine bedeutende Disziplin in der Kunst, Architektur, Archäologie, Sammlungs- und Denkmalpflege.

Sie sorgt für die Überlieferung von Geschichte, gibt dem Kulturerbe ein Gesicht – und eine Zukunft.

„Restaurieren morgen“

lautet das diesjährige Motto, unter dem wir einen Blick in die Zukunft werfen möchten.

  • Wie bewahren Restaurator:innen künftig unser Kulturgut?
  • Auf welche Herausforderungen werden sie treffen?
  • Welche Future Skills benötigen sie hierfür?

Im Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel, digitaler Transformation, Klimawandel und Umweltschutz werden Restaurator:innen künftig nicht nur Spezialkenntnisse benötigen. Zunehmend werden auch fachübergreifende Fähigkeiten und neue Konzepte eine Rolle für das Wirken der Berufsgruppe spielen. Zentral bleibt trotz dieses Wandels das unmittelbare Wirken und Handanlegen direkt am Original.

Quelle: https://www.tag-der-restaurierung.de

👉🏽 Hier geht es zu dem ausführlichen Interview mit Dipl.-Restauratorin Ulrike Villwock, die zu dem diesjährigen Motto „Restaurieren morgen“ befragt wurde:

Ist die Restaurierung nur ein traditioneller oder auch ein zukunftsorientierter/zeitgemässer Beruf? 

Zur Geschichte des Tages

Der Europäische Tag der Restaurierung wurde ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für die Bedeutung der Konservierung und Restaurierung unseres kulturellen Erbes zu schärfen. Diese Initiative hebt die wertvolle Arbeit von Restaurator:innen und Konservator:innen hervor, die historische Artefakte, Möbel, Kunstwerke und architektonische Denkmäler für zukünftige Generationen bewahren.

Historisch gesehen, hat die Konservierung und Restaurierung ihre Wurzeln in frühen Erhaltungsbemühungen in Europa, bei denen Handwerker:innen und Restaurator:innen beauftragt wurden, religiöse Gebäude, Skulpturen und Gemälde zu erhalten.
Im 19. Jahrhundert, als das Interesse an der Erhaltung des kulturellen Erbes in Europa wuchs, entwickelten sich formalisierte Restaurierungspraktiken, die von Persönlichkeiten wie Eugène Viollet-le-Duc, einem französischen Architekten, der für seine Restaurierungen gotischer Bauten bekannt ist, beeinflusst wurden.

Die Idee für einen europäischen Tag der Restaurierung wurde vom Europäischen Dachverband der Restauratorenverbände (E.C.C.O.) initiiert, um den Dialog und den Wissensaustausch in Europa zu fördern.
Offiziell 2018 ins Leben gerufen, wird dieser Tag jedes Jahr jeweils am 3. Sonntag im Oktober gefeiert, um Restaurierungsprojekte zu präsentieren, die Öffentlichkeit einzubeziehen und die Bedeutung der Erhaltung des kulturellen Erbes Europas hervorzuheben.

Der European Day of Conservation-Restoration hat sich seit seiner Ausrufung zu einer bedeutenden Veranstaltung entwickelt, die von zahlreichen Events, Workshops und offenen Ateliers in ganz Europa (21 beteiligte Länder) begleitet wird. Dabei stehen sowohl das handwerkliche Können als auch die wissenschaftlichen Methoden der modernen Restaurierung im Fokus.

Auf folgenden Websites finden Sie das Deutsche und Schweizer Programm für den siebten Europäischen Tag der Restaurierung.

Deutschland:

Schweiz:

EU:

Besuch bei Marino Menegazzo, dem letzten Goldschläger Venedigs

Besuch bei Marino Menegazzo, dem letzten Goldschläger Venedigs

Nach einem morgendlichen Besuch der Basilica di San Marco in Venedig, die mit ihrem Reichtum an leuchtend goldenen Mosaiken in den zahlreichen Kuppeln und Bögen einen sprachlos hinterlässt, folgte ein unvergesslicher Besuch in einer kleinen, versteckten Werkstatt abseits des Touristenstroms von Venedig.

Mit Glück konnte ich die Werkstatt von Marino Menegazzo besichtigen, dem letzten Goldschläger Meister Venedigs.

Mit seiner Frau Sabrina Berta führt er in vierter Generation – im ehemaligen Wohnhaus des berühmten Malers Tizian – ein wahres Kunsthandwerk aus, ohne das die Mosaike des Doms nicht mehr in gleicher Qualität und Leuchtkraft hergestellt werden könnten.

Er führt sein Handwerk mit enormer Kompetenz und ganzer Seele aus.

Ich erhielt einen Einblick in die verschiedenen Produktionsschritte der manuellen Blattgoldherstellung und der dafür benötigten Werkzeuge und Gerätschaften.

Marino Menegazzo, der letzte Goldschläger Venedigs

Das folgende Video zeigt, mit welcher Leichtigkeit und Eleganz er das kostbare Material bearbeitet.

Der Unterschied zwischen industriell hergestelltem und handgefertigtem Blattgold ist enorm. Mit industriellem Blattgold zu arbeiten, gestaltet sich oft als schwierig: Es ist deutlich dünner, empfindlicher und bricht schnell. Zudem fehlt ihm die leuchtende Strahlkraft, die handgefertigtes Blattgold auszeichnet.

Marino Menegazzo muss seinen Betrieb Mario Berta Battiloro srl zum Jahresende – nur ein Jahr vor dem 100-jährigen Jubiläum – schließen. Alle Rettungsversuche sind gescheitert.

Herzlichen Dank, Marino Menegazzo, für die wunderbare Gelegenheit, Ihre Werkstatt besuchen zu dürfen! Es war mir eine große Freude!

Unser handgeschlagenes Blattgold hat Seele.

Marino Menegazzo

Letzter Goldschläger Venedigs

Blattgoldherstellung in Deutschland:

Die Blattgoldherstellung geschieht heute zumeist maschinell, allerdings gibt es noch immer Betriebe, die auf den traditionellen Prozess zurückgreifen und das Blattgold von Hand schlagen – besonders in der bayerischen Stadt Schwabach bei Nürnberg beherrschen noch einige Handwerker die fast vergessene Kunst der Goldschlägerei. 

Homo Faber Guide

Homo Faber Guide

Mit dem Homo Faber Guide hat die Michelangelo Foundation ein einzigartiges digitales Schaufenster für europäisches Kunsthandwerk geschaffen.

Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Kunsthandwerk zu feiern und zu bewahren. Aus diesem Grund hat sie eine europäische Landkarte der bedeutendsten Vertreterinnen und Vertreter in diesem Bereich erstellt, um sie miteinander zu verbinden: Kunsthandwerkende, im Design Tätige, Verantwortliche für Galerien und Museumsausstellungen, Sammlerinnen und Sammler sowie einfach alle, die sich für hochwertige handgefertigte Objekte begeistern.

Es erfüllt mich mit Freude, Teil dieses Netzwerkes zu sein.

Homo Faber Guide - Chaska Schuler

Homo Faber 2024: The Journey of Life

Ich werde am 4./5. September in Venedig sein und die anregenden Ausstellungen der Biennale besuchen, die in den prächtigen Räumen der Fondazione Giorgio Cini stattfinden.

Hunderte von handgefertigten Objekten sind zu entdecken – geschaffen von den talentiertesten Handwerksleuten aus aller Welt.

HOMO FABER GUIDE

With the Homo Faber Guide, the Michelangelo Foundation has created a unique digital platform for European artisanship.

The Foundation’s mission is to celebrate and preserve master artisanship, and for this reason it has created a European map of the most significant representatives in this field, with the aim of connecting all its protagonists: artisans, designers, gallery owners, art curators, collectors and enthusiasts of high-quality handmade pieces.

I feel happy and honored to be part of this network.

Homo Faber 2024: The Journey of Life

I will be in Venice on the 4th/5th of September, visiting the inspiring exhibitions of the Biennale held in the magnificent spaces of Fondazione Giorgio Cini. There are hundreds of handmade objects to discover, created by the most talented craftspeople from all over the world.

Poliment- und Ölvergoldung

Poliment- und Ölvergoldung

Die Replika eines Blumenornaments von Ignaz Günther habe ich poliment-glanzvergoldet. Die seitlichen Ränder sind mit Silber und Kupfer ölvergoldet.
Der Begriff „vergolden“ erstreckt sich auch auf die Bearbeitung unedler Blattmetalle.

Die Polimentvergoldung ist die edelste, traditionsreichste aber auch aufwendigste Vergoldungsart.

Die Chinesen sollen schon 2000 v. Chr., die Ägypter 1600 v. Chr. das Blattgold verwendet haben.
Plinius der Ältere (23-79 n. Chr.) und Vitruv beschreiben in der frühen Kaiserzeit die Herstellung und Anwendung von Blattgold sowie die Polimentvergoldung: «Holz wird mit einem Poliment aus einer Mischung von Gelbocker mit roter (aus Sinope) und weisser Tonerde (aus Melos) vergoldet.»

Die Polimentvergoldung entsteht in mehreren Arbeitsschritten. Sie beginnt mit dem Auftrag der Leimtränke, daran schließt sich der Aufbau des Kreidegrunds an. Als direkter Träger des Blattgoldes dient das Poliment.

Da ihr Aufbau keinen Schutz vor Feuchtigkeit gewährt, kommt sie ausschliesslich in Innenräumen bspw. bei Skulpturen, sakralen Gegenständen oder aufwendigen Bilderrahmen zur Anwendung.

Die antiken Autoren erwähnen die sogenannte Öl- oder Mixtion-Vergoldung mit Blattgold auf einem Klebeöl nicht.
Diese Vergoldung lässt sich zwar nicht polieren, man kann sie aber universell auf fast jeden Untergrund im Innen- und Aussenbereich auftragen. Saugende Untergründe wie Holz, poröser Stein, Putz und Stuck müssen mit einem Lack abgesperrt werden.

Diese Mattvergoldung ist die widerstandsfähigste aller mechanischen Vergoldungstechniken und benötigt keinen Kreide- und Polimentaufbau wie die Glanzvergoldung. Eine Ölvergoldung hält im Freien mindestens 20 bis 30 Jahre.

Das folgende Video zeigt ausführlich die einzelnen Arbeitsschritte der Polimentvergoldung (vgl. auch Text unter dem Video):

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On the following website, you will find interesting information about water gilding (tools, instructions, and tips) available in English, French, Italian, Spanish, and German:

Polimentvergoldung

Die Leimtränke

Die Vorbereitung der Leimtränke ist von entscheidender Bedeutung, da sie eine essentielle Verbindung zwischen dem zu vergoldenden Objekt und der darauf folgenden Kreidegrundierung herstellt.
Dabei kommen wasserlösliche Glutinleime zum Einsatz, die aus verschiedenen Tierprodukten (Haut, Knochen, Fischhaut und -gräte) gewonnen werden und durch Einweichen und anschließende Erwärmung (weniger als 50 Grad Celsisus!) vorbereitet werden. Die optimale Konsistenz und Temperatur der Leimtränke sind unerlässlich, ebenso wie ein gründlich vorbereitetes Arbeitsstück und ein sauberer Arbeitsplatz.
Die Anwendung erfordert zügiges Handeln, da die Tränke bei Abkühlung ihre Fließfähigkeit verliert und weniger tief ins Objekt eindringt. Sie muss gründlich in das Material einmassiert werden, um vollständig aufgesogen zu werden.

Die Kreidegrundierung

Nachdem das Werkstück getrocknet ist, wird nun eine mehrschichtige Grundierung aufgetragen, die aus einer Mischung verschiedener Kreidesorten besteht und durch Warmleim gebunden wird.

Der Grundauftrag erfolgt in drei aufeinanderfolgenden Schritten: Stupfen, Anreiben und Ausgrundieren.

Beim Stupfen wird der handwarme, dickflüssige Kreidegrund mit einem runden Borstenpinsel auf das Werkstück aufgetragen und anschließend vertupft, um eine vergrößerte Oberfläche zu schaffen.
Das Anreiben erfolgt mit einem verdünnten Kreidegrund, der mit einem langhaarigen Borstenpinsel gleichmäßig aufgetragen wird, um eine lebendige Oberfläche zu erzeugen. Die Pinselstriche bleiben sichtbar und bilden die Grundlage für die dritte Grundierungsschicht.
Die Ausgrundierung wird einem langhaarigen Haarpinsel «nass in nass» aufgetragen, um die Grundierungsschicht zu komplettieren.

Zwischen jedem Schritt muss das Werkstück gründlich trocknen, bevor mit dem nächsten Schritt fortgefahren werden kann, wobei der Auftrag von Schicht zu Schicht dünnflüssiger wird und weniger Leim enthält.

Das Poliment

Durch das Schleifen der Grundierschichten wird eine feine, glatte und gleichmäßig poröse Oberfläche erzielt. Schleifstaub muss gründlich entfernt werden, und eventuelle Rückstände von Handfett können mit einem weichen Baumwolltuch, das mit Ethanol benetzt ist, abgewischt werden. Sauberkeit am Arbeitsplatz ist für den folgenden Prozess der Polimentierung unerlässlich.

Das vorbereitete Poliment – eine Mischung von Polimentleim (Speisegelatine) und Bolus (gemahlene Tonerde) – wird leicht erwärmt und auf das Werkstück aufgetragen.
Die traditionellen Farben für Glanzvergoldung sind Gelb und Rot, wobei normalerweise zwei Schichten Gelb und darauf zwei Schichten Rot aufgetragen werden. Es ist wichtig, dass das gelbe Poliment mehr Leim enthält.
Blattgold wird wärmer, wenn ein roter Bolus und blasser, wenn ein gelber Bolus verwendet wird. Für Blattsilber wird meist ein schwarzer, blauer oder weißer Bolus verwendet, die für einen brillanteren Effekt perfekt sind.
Zwischen den Aufträgen muss das Werkstück bei Raumtemperatur gründlich trocknen, um sicherzustellen, dass der Bolus nicht brüchig wird.
Anschließend wird die Oberfläche mit einer speziellen Bürste gebürstet, um eine feine und dichte Basis für das Blattgold zu schaffen und die nachfolgende Vergoldung zu erleichtern.

Anschiessen

Ein heller und sauberer Arbeitsbereich ist für den Auftrag des Blattgoldes entscheidend. Eine konstante Luftfeuchtigkeit von etwa 60 Prozent, die durch einen Wasserkocher aufrechterhalten werden kann, verhindert eine zu schnelle Trocknung der aufgetragenen Lösung.

Die erforderlichen Werkzeuge wie das Vergolderkissen und -messer sowie der Anschiesser (Haarbesatz aus feinstem Fehhaar) müssen griffbereit sein.

Die Netze besteht aus destilliertem Wasser und Alkohol. Sie wird kurz vor der Anwendung gemischt, da Alkohol schnell verdunstet.

Das Blattgold wird auf die mit Netze vorbereitete Fläche gelegt, wobei die Lösung den im Untergrund enthaltenen Leim aktiviert. Das Anschiessen der Goldblättchen erfordert Präzision und Planung, um ein harmonisches Ergebnis zu erzielen.

Nach dem Trocknen wird das Blattgold mit einem Achat-Stein poliert, bis eine gleichmäßig glänzende Oberfläche entsteht.

Wenn alle Schritte behutsam ausgeführt werden, entsteht eine eindrucksvolle massiv wirkende Goldoberfläche, die den Betrachter fasziniert.

Vergoldungen sind dauerhaft und benötigen keinen Schutz.

Im Aussenbereich (Ölvergoldung) sollte Gold mit mindestens 23.5 Karat verwendete werden.
Silber- und Kupferpartien können mit einem alkohlgelösten Lack (z.B. Schellack) überzogen werden, damit sie nicht oxidieren.

Unpolare Lacke, wie Zelluloselacke (Zapon) oder toluol bzw. xylolgelöste Lacke (Paraloid, Plexigum) sollten nicht verwendet werden, da sie das Mixtion anlösen können.