Neo-Renaissance-Truhenschrank – Ein Zeugnis des späten 19. Jahrhunderts

Neo-Renaissance-Truhenschrank – Ein Zeugnis des späten 19. Jahrhunderts

The English text can be found below.

Dieser zweiteilige Truhenschrank, den ich zusammen mit meiner Kollegin restauriert habe, ist ein herausragendes Beispiel für die deutsche Neo-Renaissance (1870–1890). Das Möbel vereint typische Stilelemente der Gründerzeit mit handwerklichen Besonderheiten, die auf eine Fertigung im bäuerlichen Kontext schliessen lassen.

Konstruktion und Gestaltung:
Der Schrank besteht aus zwei nicht fest verbundenen Korpussen aus verschiedenen Holzarten (Nussbaum, Birke, Fichte), die sich in Maßen, Ausführung und Ornamentik unterscheiden. Die horizontale Gliederung erfolgt durch profilierte Leisten mit Hohlkehlen und Zahnschnitt-Ornamentik, während vertikale Pilaster mit Schuppenbändern und Diamantquaderungen das Design prägen.

Die Türen der unteren Truhe sind Rahmen-Füllungskonstruktionen, während die des oberen Korpus aus massivem Holz mit aufgeblendeten Zierleisten und Rundbogenmotiven bestehen. Besonders auffällig sind die geschnitzten Engelsköpfe mit feinen Akanthusranken, die sehr detailliert und feingliederig ausgeführt sind.

Kunsthistorische Einordnung:
Die Gestaltungselemente spiegeln die Stilmischung des 19. Jahrhunderts wider: Gründerzeit-Ornamentik kombiniert mit barocken Einflüssen in den Engelsmotiven.
Der Stil der Neo-Renaissance blühte als Teil des Historismus auf, einer Bewegung, die darauf abzielte, vergangene Stile wiederzubeleben.

Interessant ist die Diskrepanz zwischen aufwendiger Ornamentik und schlichter Ausführung, die auf eine regionale Werkstatt hinweist.

Wiederverwendete Beschläge wie geschmiedete Langbänder, Federschnäpper und Schliessbleche unterstreichen zudem die wechselnde Nutzungsgeschichte dieses faszinierenden Möbels.

Weitere Eindrücke zur Restaurierung des Neo-Renaissanc-Truhenschranks im folgenden Video:
Further insights into the restoration of the Neo-Renaissance chest cabinet in the following video:

Neo-Renaissance Chest Cabinet – A testament to the late 19th Century

This two-part chest cabinet, which I restored together with my colleague, is an outstanding example of German Neo-Renaissance design (1870–1890). The piece combines typical Gründerzeit stylistic elements with craftsmanship details indicative of production in a rural context.

Construction and Design:
The cabinet comprises two separate, unconnected sections made from various types of wood (walnut, birch, and spruce), differing in dimensions, execution, and ornamentation. Its horizontal structure is defined by profiled moldings with hollow chamfers and dentil ornamentation, while vertical pilasters decorated with scaled bands and diamond-shaped motifs accentuate the design.

The doors of the lower chest feature classic frame-and-panel construction, whereas those of the upper section are crafted from solid wood, embellished with applied moldings and arched motifs. Particularly striking are the carved angel heads with delicate acanthus foliage, executed with exceptional precision and intricacy.

Art Historical Context:
The design elements reflect the eclectic style of the 19th century: Gründerzeit ornamentation blended with Baroque influences in the angel motifs.

The Neo-Renaissance style flourished as part of Historicism, a movement that sought to revive past styles.

Notable is the contrast between elaborate ornamentation and simpler craftsmanship, suggesting production in a regional workshop.

Reused fittings such as forged strap hinges, spring latches, and strike plates further emphasize the evolving history of this fascinating piece of furniture.

Kurs „Möbelherstellung aus Massivholz“

Kurs „Möbelherstellung aus Massivholz“

✨ Soeben habe ich einen mehrtägigen Holzbearbeitungskurs abgeschlossen, in dem mein Kunde diesen eleganten Beistelltisch erschaffen hat!✨

Gefertigt aus Ahorn- und Nussholz, besticht dieser Tisch durch sein leichtes, luftiges Design.

Die Tischplatte hebt sich dank der Schattenfuge schwebend von der Unterkonstruktion ab.

Die Beine verjüngen sich auf zwei Seiten und verleihen dem Tisch eine raffinierte Eleganz, während auf Gehrung gesägte Blindzapfen eine unsichtbare, stabile Verbindung schaffen.

Das Finish mit Rubio Monocoat Oil Plus 2C „Pure“ bringt die natürliche Schönheit des Holzes zur Geltung.

Michael Cordes und sein Beistelltisch aus Ahorn- und Nussholz

Es ist zutiefst bereichernd, andere in die Welt der Massivholz-Möbelherstellung einführen zu dürfen.
In diesem Kurs sind wir gemeinsam den Weg von rohem Holz bis hin zum fertigen Möbelstück gegangen. Es entstand ein formschönes und handwerklich sorgfältig ausgeführtes Einzelstück.

Ein herzliches Dankeschön geht an Michael und Claudia, dass sie diesen Kurs bei mir gebucht haben. Es war mir eine grosse Freude, dieses Projekt mit Michael umzusetzen und ihn Schritt für Schritt zu begleiten.

Beistelltisch aus Ahorn- und Nussbaum

Liebe Chaska
Du hast den Kurs mit riesiger Geduld und Ruhe geführt – Kompliment 👍🏼 absolut stark.

Wir sind begeistert von dir!
Das Tischchen ist grossartig geworden und hat einen schönen Platz in unserem Zuhause erhalten.
Wir haben viele positive Eindrücke mitgenommen und danken dir für die schöne Erfahrung und die guten Inputs.

Michael Cordes & Claudia von Felten

Kursteilnehmer

Im folgenden Video sind die Vorbereitungsarbeiten für den Kurs zu sehen:

Woche der Restaurierung und Europäischer Tag der Restaurierung (20.10.2024)

Woche der Restaurierung und Europäischer Tag der Restaurierung (20.10.2024)

Der nächste Europäische Tag der Restaurierung ist am 20. Oktober 2024!

Entdecken Sie die Arbeit der Restauratorinnen und Restauratoren, die sonst im Verborgenen liegt.

In ganz Europa laden wir Sie dazu ein, in den Ateliers und auf den Baustellen Fallbeispiele aktueller Konservierungs- und Restaurierungsprojekte kennenzulernen.

Die Restaurierung ist eine bedeutende Disziplin in der Kunst, Architektur, Archäologie, Sammlungs- und Denkmalpflege.

Sie sorgt für die Überlieferung von Geschichte, gibt dem Kulturerbe ein Gesicht – und eine Zukunft.

„Restaurieren morgen“

lautet das diesjährige Motto, unter dem wir einen Blick in die Zukunft werfen möchten.

  • Wie bewahren Restaurator:innen künftig unser Kulturgut?
  • Auf welche Herausforderungen werden sie treffen?
  • Welche Future Skills benötigen sie hierfür?

Im Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel, digitaler Transformation, Klimawandel und Umweltschutz werden Restaurator:innen künftig nicht nur Spezialkenntnisse benötigen. Zunehmend werden auch fachübergreifende Fähigkeiten und neue Konzepte eine Rolle für das Wirken der Berufsgruppe spielen. Zentral bleibt trotz dieses Wandels das unmittelbare Wirken und Handanlegen direkt am Original.

Quelle: https://www.tag-der-restaurierung.de

👉🏽 Hier geht es zu dem ausführlichen Interview mit Dipl.-Restauratorin Ulrike Villwock, die zu dem diesjährigen Motto „Restaurieren morgen“ befragt wurde:

Ist die Restaurierung nur ein traditioneller oder auch ein zukunftsorientierter/zeitgemässer Beruf? 

Zur Geschichte des Tages

Der Europäische Tag der Restaurierung wurde ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für die Bedeutung der Konservierung und Restaurierung unseres kulturellen Erbes zu schärfen. Diese Initiative hebt die wertvolle Arbeit von Restaurator:innen und Konservator:innen hervor, die historische Artefakte, Möbel, Kunstwerke und architektonische Denkmäler für zukünftige Generationen bewahren.

Historisch gesehen, hat die Konservierung und Restaurierung ihre Wurzeln in frühen Erhaltungsbemühungen in Europa, bei denen Handwerker:innen und Restaurator:innen beauftragt wurden, religiöse Gebäude, Skulpturen und Gemälde zu erhalten.
Im 19. Jahrhundert, als das Interesse an der Erhaltung des kulturellen Erbes in Europa wuchs, entwickelten sich formalisierte Restaurierungspraktiken, die von Persönlichkeiten wie Eugène Viollet-le-Duc, einem französischen Architekten, der für seine Restaurierungen gotischer Bauten bekannt ist, beeinflusst wurden.

Die Idee für einen europäischen Tag der Restaurierung wurde vom Europäischen Dachverband der Restauratorenverbände (E.C.C.O.) initiiert, um den Dialog und den Wissensaustausch in Europa zu fördern.
Offiziell 2018 ins Leben gerufen, wird dieser Tag jedes Jahr jeweils am 3. Sonntag im Oktober gefeiert, um Restaurierungsprojekte zu präsentieren, die Öffentlichkeit einzubeziehen und die Bedeutung der Erhaltung des kulturellen Erbes Europas hervorzuheben.

Der European Day of Conservation-Restoration hat sich seit seiner Ausrufung zu einer bedeutenden Veranstaltung entwickelt, die von zahlreichen Events, Workshops und offenen Ateliers in ganz Europa (21 beteiligte Länder) begleitet wird. Dabei stehen sowohl das handwerkliche Können als auch die wissenschaftlichen Methoden der modernen Restaurierung im Fokus.

Auf folgenden Websites finden Sie das Deutsche und Schweizer Programm für den siebten Europäischen Tag der Restaurierung.

Deutschland:

Schweiz:

EU:

Besuch bei Marino Menegazzo, dem letzten Goldschläger Venedigs

Besuch bei Marino Menegazzo, dem letzten Goldschläger Venedigs

Nach einem morgendlichen Besuch der Basilica di San Marco in Venedig, die mit ihrem Reichtum an leuchtend goldenen Mosaiken in den zahlreichen Kuppeln und Bögen einen sprachlos hinterlässt, folgte ein unvergesslicher Besuch in einer kleinen, versteckten Werkstatt abseits des Touristenstroms von Venedig.

Mit Glück konnte ich die Werkstatt von Marino Menegazzo besichtigen, dem letzten Goldschläger Meister Venedigs.

Mit seiner Frau Sabrina Berta führt er in vierter Generation – im ehemaligen Wohnhaus des berühmten Malers Tizian – ein wahres Kunsthandwerk aus, ohne das die Mosaike des Doms nicht mehr in gleicher Qualität und Leuchtkraft hergestellt werden könnten.

Er führt sein Handwerk mit enormer Kompetenz und ganzer Seele aus.

Ich erhielt einen Einblick in die verschiedenen Produktionsschritte der manuellen Blattgoldherstellung und der dafür benötigten Werkzeuge und Gerätschaften.

Marino Menegazzo, der letzte Goldschläger Venedigs

Das folgende Video zeigt, mit welcher Leichtigkeit und Eleganz er das kostbare Material bearbeitet.

Der Unterschied zwischen industriell hergestelltem und handgefertigtem Blattgold ist enorm. Mit industriellem Blattgold zu arbeiten, gestaltet sich oft als schwierig: Es ist deutlich dünner, empfindlicher und bricht schnell. Zudem fehlt ihm die leuchtende Strahlkraft, die handgefertigtes Blattgold auszeichnet.

Marino Menegazzo muss seinen Betrieb Mario Berta Battiloro srl zum Jahresende – nur ein Jahr vor dem 100-jährigen Jubiläum – schließen. Alle Rettungsversuche sind gescheitert.

Herzlichen Dank, Marino Menegazzo, für die wunderbare Gelegenheit, Ihre Werkstatt besuchen zu dürfen! Es war mir eine große Freude!

Unser handgeschlagenes Blattgold hat Seele.

Marino Menegazzo

Letzter Goldschläger Venedigs

Blattgoldherstellung in Deutschland:

Die Blattgoldherstellung geschieht heute zumeist maschinell, allerdings gibt es noch immer Betriebe, die auf den traditionellen Prozess zurückgreifen und das Blattgold von Hand schlagen – besonders in der bayerischen Stadt Schwabach bei Nürnberg beherrschen noch einige Handwerker die fast vergessene Kunst der Goldschlägerei. 

Homo Faber Guide

Homo Faber Guide

Mit dem Homo Faber Guide hat die Michelangelo Foundation ein einzigartiges digitales Schaufenster für europäisches Kunsthandwerk geschaffen.

Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Kunsthandwerk zu feiern und zu bewahren. Aus diesem Grund hat sie eine europäische Landkarte der bedeutendsten Vertreterinnen und Vertreter in diesem Bereich erstellt, um sie miteinander zu verbinden: Kunsthandwerkende, im Design Tätige, Verantwortliche für Galerien und Museumsausstellungen, Sammlerinnen und Sammler sowie einfach alle, die sich für hochwertige handgefertigte Objekte begeistern.

Es erfüllt mich mit Freude, Teil dieses Netzwerkes zu sein.

Homo Faber Guide - Chaska Schuler

Homo Faber 2024: The Journey of Life

Ich werde am 4./5. September in Venedig sein und die anregenden Ausstellungen der Biennale besuchen, die in den prächtigen Räumen der Fondazione Giorgio Cini stattfinden.

Hunderte von handgefertigten Objekten sind zu entdecken – geschaffen von den talentiertesten Handwerksleuten aus aller Welt.

HOMO FABER GUIDE

With the Homo Faber Guide, the Michelangelo Foundation has created a unique digital platform for European artisanship.

The Foundation’s mission is to celebrate and preserve master artisanship, and for this reason it has created a European map of the most significant representatives in this field, with the aim of connecting all its protagonists: artisans, designers, gallery owners, art curators, collectors and enthusiasts of high-quality handmade pieces.

I feel happy and honored to be part of this network.

Homo Faber 2024: The Journey of Life

I will be in Venice on the 4th/5th of September, visiting the inspiring exhibitions of the Biennale held in the magnificent spaces of Fondazione Giorgio Cini. There are hundreds of handmade objects to discover, created by the most talented craftspeople from all over the world.