Befunduntersuchung und Restaurierungskonzept eines Kabinettschranks aus dem 19. Jh.

Befunduntersuchung und Restaurierungskonzept eines Kabinettschranks aus dem 19. Jh.

English version of my my blog entry can be found below.

Bevor eine Restaurierung durchgeführt werden kann, ist eine umfassende Befunduntersuchung unerlässlich. Sie dient dazu, die Materialien, Verarbeitungstechniken sowie spätere Veränderungen und Schäden am Möbelstück detailliert zu analysieren.

Erst auf dieser Grundlage kann ein fundiertes Restaurierungskonzept entwickelt werden, das den historischen Kontext respektiert und die bestmögliche Erhaltung der originalen Substanz gewährleistet.

Der aus verschiedenen Elementen zusammengesetzte Kabinettschrank besteht aus einem abnehmbaren Aufsatz mit zahlreichen Schubladen in unterschiedlichen Grössen und einem Gestell mit vier gewundenen Säulen sowie y-förmigen Stegen als Fussverbindung.

Die Schubladenfelder und die Seiten des Korpus sind mit Marketerie-Arbeiten aus graviertem Elfenbein, Cocobolo und Marmor verziert. Die dekorativen Elemente aus diversen Schmucksteinen (Karneole, Chalcedone, roter Achat, Türkis) und ‚Augen der Heiligen Lucia‘ – es handelt sich dabei um Opercula, die ‚Deckelchen‘ von Meeresschnecken, mit denen sie sich vor Fressfeinden schützen – dürften nicht original sein, da ihre Platzierung willkürlich wirkt und das ansonsten homogene Furnierbild stört.

Mittig befindet sich eine Tür mit weiteren dahinterliegenden Schubladen. Die Front wird zudem in der Mitte von zwei gewundenen Glassäulen geziert, während die beiden am Rand verloren gegangen sind.

Die Rahmenprofile sind aus Ebenholz gefertigt und weisen einen hohen Glanzgrad auf, ähnlich wie die übrige Oberfläche. Die Deckplatte ist aus ebonisiertem Kirschholz hergestellt.

Zahlreiche Auffälligkeiten deuten darauf hin, dass ältere Paneele mit Marketerie und Steineinlegearbeiten (vermutlich aus der Mitte des 17. Jahrhunderts) in einen bestehenden Korpus des 19. Jahrhunderts integriert wurden.

Das Gestell (aus ebonisiertem Lindenholz) dürfte aufgrund seines besseren Erhaltungszustands noch später entstanden sein.

🎯 Restaurierungsziel

Ziel der Restaurierung ist es, den letztmöglich rekonstruierbaren Originalzustand wiederherzustellen. Zudem sollen die beweglichen Teile ihre volle Funktionsfähigkeit zurückerhalten und die Oberfläche in Farbe und Glanz zu einer harmonischen Einheit zusammengeführt werden.

English Version:

Condition Assessment and Restoration Concept of a 19th-Century Cabinet

Before a restoration can be carried out, a comprehensive condition assessment is essential. It serves to analyze the materials, construction techniques, as well as later modifications and damages to the piece of furniture in detail. Only on this basis can a well-founded restoration concept be developed that respects the historical context and ensures the best possible preservation of the original substance.

The cabinet, composed of various elements, consists of a removable upper section with numerous drawers in different sizes and a stand with four twisted columns as well as Y-shaped stretchers connecting the feet.

UV examination of the cabinet (19th century) with inlaid panels (presumably mid-17th century)

The drawer panels and the sides of the corpus are decorated with marquetry work made of engraved ivory, cocobolo and marble.
The decorative elements, consisting of various semi-precious stones (carnelian, chalcedony, red agate, turquoise) and ‘Eyes of Saint Lucia’ – which are opercula, the protective „lids“ of sea snails – are likely not original, as their placement appears arbitrary and disrupts the otherwise homogeneous veneer pattern.

At the center, there is a door concealing additional drawers behind it. The front is also adorned with two twisted glass columns in the center, while the two at the edges have been lost.

The frame profiles are made of ebony and exhibit a high gloss, similar to the rest of the surface. The top panel is made of ebonized cherry wood.

Numerous indications suggest that older panels with marquetry and stone inlay work (presumably from the mid-17th century) were integrated into an existing corpus from the 19th century.

The framework (made of ebonized lime wood) is likely to have been created later due to its better state of preservation.

🎯 Restoration Objective

The goal of the restoration is to reinstate the original condition as far as it can be reliably reconstructed. Additionally, all movable parts should regain full functionality, and the surface should be harmonized in terms of color and gloss.

21. März: Welttag des Holzes / Internationaler Tag des Waldes / Internationaler Tag gegen Rassismus 

21. März: Welttag des Holzes / Internationaler Tag des Waldes / Internationaler Tag gegen Rassismus 

Bäume und Menschen auf dem Olympiaberg in München

Der 21. März ist sowohl der Welttag des Holzes als auch der Internationale Tag des Waldes.

Diese Tage sollen das Bewusstsein für die Bedeutung von Holz als Rohstoff und die Notwendigkeit eines nachhaltigen Umgangs mit Wäldern schärfen.

Obwohl Holz als nachwachsender Ressource weit verbreitet ist, wächst es nicht unendlich schnell nach – viele Bäume benötigen Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, um zu reifen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit diesem wertvollen Material ist daher unerlässlich.

Internationaler Tag des Waldes / Welttag des Holzes

Der Mensch beutet natürliche Ressourcen oft gedankenlos aus, was nicht nur Ländern des Globalen Südens, sondern der Umwelt im Allgemeinen und dem gesamten Planeten schadet. Begriffe wie „Ozonloch“, „saurer Regen“ oder „Waldsterben“ sowie Themen wie Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Bodenerosion und die zunehmende Verschmutzung und Knappheit von Wasserressourcen sind mahnende Erinnerungen an die negativen Folgen dieser Ausbeutung.

 

Bedeutung von Holz

Je nach Perspektive hat Holz unterschiedliche Bedeutungen:

Holz, dessen Wortursprung im Germanischen (*holta) und Indogermanischen (*kl̩tˀo) liegt – sinngemäss als ‚das Abgeschlagene‘ oder ‚das Gespaltene‘ –, bezeichnet allgemein das feste Gewebe der Sprossachsen von Bäumen und Sträuchern, also deren Stamm, Äste und Zweige.

In der Botanik wird Holz als das sekundäre Xylem der Samenpflanzen definiert, das vom Kambium gebildet wird.

Baumstumpf mit Jahresringen
Mikroskopische Holzuntersuchung

Wir Schreinerinnen und Schreiner betrachten Holz als ein äusserst vielseitiges Material, das sowohl in kunsthandwerklichen als auch in technischen Bereichen zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten bietet.
Aufgrund seiner natürlichen Maserung, Festigkeit und Bearbeitbarkeit eignet es sich sowohl für den Bau von Möbeln und Innenausstattungen als auch für kunstvolle Schnitzereien, Restaurierungsarbeiten und individuelle Designobjekte.

Brieföffner aus Nussbaum, Ahorn oder Kirsche
Kopfteil des Kahnbettes
Kleiderschrank aus Olivenesche

Forstwissenschaftler wie Heinrich Spiecker sehen den Wald als komplexes Ökosystem, das vielfältige gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Funktionen erfüllt.
Diese reichen von der nachhaltigen Holzproduktion über Klimaregulierung und Biodiversitätserhaltung bis hin zur Erholung, wobei eine nachhaltige Bewirtschaftung unter Berücksichtigung des Klimawandels, der Nährstoffkreisläufe sowie der Resilienz des Ökosystems entscheidend ist
.

CITES – Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora

Am 3. März 1973 wurde das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) ins Leben gerufen.

Logo CITES - Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora

Dieses internationale Übereinkommen verbietet oder schränkt den internationalen Handel mit den in seinen Anhängen gelisteten Tieren und Pflanzen ein. So schützt es z.B. Elefanten (Elfenbein), Schildkröten (Schildpatt) sowie bestimmte Holzarten wie Palisander, Ebenholz, Rosenhölzer und Fernambuk.

Die Schweiz gehörte, zusammen mit den USA, Nigeria, Tunesien und Schweden, zu den ersten fünf Ländern, die das Abkommen ratifizierten. Heute gehören 185 Staaten dieser Konvention an.

Tage für Umwelt und soziale Gerechtigkeit

Mit dem Frühlingsanfang beginnt also eine kurze Reihe von „Tagen für Umwelt und soziale Gerechtigkeit“, die uns besonders auf unsere Verantwortung gegenüber der Natur und der Gesellschaft aufmerksam machen:

Der 21. März ist nicht nur der „Welttag des Holzes“ und der „Internationale Tag des Waldes“ sondern auch der „Internationale Tag gegen Rassismus“, der uns an die Bedeutung von Gleichberechtigung, Respekt und Toleranz erinnert.

Er fordert uns dazu auf, Vorurteile abzubauen und eine Gesellschaft zu fördern, in der alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Kultur und Religion, die gleichen Chancen und Rechte haben und Vielfalt als Stärke betrachtet wird.

Schliesslich folgt am 22. März der „Weltwassertag“, der uns sowohl die Bedeutung von Wasser als lebenswichtige Ressource für alle Lebewesen vor Augen führt, als auch die Notwendigkeit betont, in einer Welt des respektvollen Umgangs miteinander und mit der Umwelt zu leben.

 

«Das Gesicht des Holzes wird durch das Leben in den Bäumen gemalt. Es ist frei von jeder Manipulation, vom Drängen und Wollen.
Es ist ein Bericht ihres Lebens. Ein Bild von Glück und Gedeihen, aber auch vom Kampf, Leid und Krankheit. Es ist das Bild vom Geheimnis, all das zu überstehen, daran zu wachsen und seine eigene Gestalt daraus zu formen.

Auf diese Weise stimmt es die einzigartige Melodie an, die uns zu uns selbst führt. Ein grösseres Geschenk kann ein Material uns Menschen gar nicht machen. Es schwingt so tief in uns hinein, das Holz der Bäume.

Das natürliche Gesicht des Holzes singt das Lied vom Urvertrauen ins Leben, vom Kommen, vom Gehen und von der Wiederkehr.

Was für ein Glück, von Bäumen, ihren Hölzern und ihrem Gesicht begleitet zu werden.»

Erwin Thoma

Holzwunder – Die Rückkehr der Bäume in unser Leben, 9f.

Siehe auch:

Beitrag

Internationaler Tag des Waldes / Welttag des Holzes 2024

„Wood Wide Web“

Restaurierung des Heiligen Damian

Restaurierung des Heiligen Damian

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Die farbig gefasste Figur zeigt den Heiligen Damian, Schutzpatron der Apotheker, der oft zusammen mit seinem Zwillingsbruder, dem Heiligen Kosmas, dargestellt wird.

Es handelt sich um eine Kopie der Figur des niederbayrischen Bildhauers Mathias Obermayr (* 14. Mai 1720; † 15. Dezember 1799), der sie 1760 zusammen mit einer Figur des heiligen Kosmas für die Stadtapotheke in Straubing angefertigt hat.

Besonders hervorzuheben ist die fein gearbeitete Schnitztechnik, die der Figur Ausdruck und Detailreichtum verleiht.
Damian steht in einer offenen, einladenden Haltung mit leicht angewinkelten Beinen: Seine rechte Hand deutet auf etwas, während er in der linken ein Buch mit dem Titel «Honora» hält.
(vgl. Bilder unten: vor (links) sowie nach (rechts) der Restaurierung)

Hl. Damian: Gewand - vor Restaurierung
Hl. Damian: Gewand - nach Restaurierung

Die Figur wurde aus blockverleimtem Lindenholz geschnitzt. Sichtbare Ergänzungen finden sich am rechten Fuß, dessen vorderer Teil vollständig ersetzt wurde, sowie am Sockel, wo eine größere Ecke neu angesetzt wurde.

Hl. Damian: UV-Untersuchung
Hl. Damian: Frontansicht - vor Restaurierung
Hl. Damian: Frontansicht - nach Restaurierung

Restaurierungsmaßnahmen

Konstruktion / Grundmaterial 

Fassungsschollen erhielten eine Behandlung mit einem Netzmittel aus Ethanol und destilliertem Wasser (1:1), gefolgt von einer Festigung mit 5%iger Gelatine-Lösung (Roth 240 Pas) unter Einsatz von Silikonpinseln.

Die abgebrochenen Fingerglieder wurden restauriert, indem alter PVAC-Leim mit Aceton entfernt und die Fragmente mit Fischleim neu verleimt wurden. Die Fugen wurden abschließend gekittet.

Hl. Damian: Hand - vor Restaurierung
Hl. Damian: Hand - nach Restaurierung

Oberfläche:  

Die gesamte Oberfläche wurde mit destilliertem Wasser und Wattestäbchen gereinigt und alte Retuschen am Fuß mit einem Abbeizer (z.B. Rustoleum) oder mechanisch (Skalpell) entfernt. Fehlstellen im Kreidegrund und Schwundrisse wurden mit Kreidegrundkitt geschlossen und mit Schellack Lemon abgesperrt.

Hl. Damian: UV-Untersuchung
Hl. Damian: UV-Untersuchung
Hl. Damian: rechter Fuss - nach Restaurierung

Die Fehlstellen der farbigen Fassung wurden mit Ölharzfarben (Mussini), verdünnt mit Balsamterpentinöl, retuschiert.

Hl. Damian: Kopf und Schulter - vor Restaurierung
Hl. Damian: Kopf und Schulter - nach Restaurierung

Kleine Fehlstellen der vergoldeten Fassung wurden mit Muschelgold oder roten Aquarellfarben als Polimentersatz retuschiert.
Bei größere Fehlstellen erfolgte eine Polimentvergoldung mit anschließender Politur.

Hl. Damian: Mantel - vor Restaurierung
Hl. Damian: Mantel - nach Restaurierung

Der Heilige Damian – zusätzliche Fotos der Restaurierung

English Version:

Saint Damian:

The polychrome figure depicts Saint Damian, the patron saint of pharmacists, who is often shown alongside his twin brother, Saint Cosmas.

It is a replica of a figure by the Lower Bavarian sculptor Mathias Obermayr (* May 14, 1720; † December 15, 1799), who created it in 1760, along with a figure of Saint Cosmas, for the town pharmacy in Straubing.

Heiliger Damian

Noteworthy is the finely detailed carving technique, which gives the figure both expression and richness of detail.

Saint Damian stands in a welcoming, open posture with slightly bent legs. His right hand appears to gesture toward something, while his left holds a book inscribed «Honora».

The sculpture is carved from block-laminated limewood, with visible repairs: the front part of the right foot has been completely replaced, and a larger section of the base corner has been newly added.

 

Restoration Measures

Structure / Base Materials

The damaged gesso flakes were treated with a mixture of ethanol and distilled water (1:1), followed by consolidation using a 5% gelatin solution.

The broken finger joints were restored by removing the old PVAC glue with acetone and re-gluing the fragments with fish glue. The joints were then sealed with putty.

Coating:

The entire surface was cleaned with distilled water and cotton swabs. Old retouching on the foot was removed with a paint stripper or mechanically with a scalpel.

Missing areas in the gesso layer and shrinkage cracks were filled with gesso putty and sealed with shellac lemon.

The missing areas in the colored finish were retouched with diluted oil resin colors (Mussini).

Small missing spots in the gilded finish were retouched with shell gold or red watercolor as a substitute for the poliment, while larger areas were treated with poliment gilding followed by polishing.

Jahresrückblick 2024

Jahresrückblick 2024

A shortened English version of my year-in-review can be found below.

 

2024 war ein Jahr voller unvergesslicher Momente, beeindruckender Projekte und inspirierender Begegnungen.

Nach Neujahr habe ich mein Studium am Goering Institut in München fortgesetzt.

Jetzt, Ende des Jahres 2024, befinde ich mich genau in der Mitte meiner dreijährigen Ausbildung zur Restauratorin für Möbel und Holzobjekte.
Das Jahr begann mit einem besonderen Werkstück: Ein Massivholzbrett mit Nussbaumfurnier und einer filigranen Libellenmarketerie. Gekrönt wurde das Projekt mit einer glänzenden Schellackpolitur.

Im Mai schloss ich eine Replika eines Blumenornaments von Ignaz Günther ab – geschnitzt aus Lindenholz und mit Poliment- und Ölvergoldung veredelt. Zwei traditionsreiche Vergoldungstechniken, die mich sowohl technisch als auch ästhetisch faszinieren.

Eine selbstgeschmiedete Anreissnadel mit gehärteter Spitze und Geissfuss (Nagelzieher) war ein weiteres Highlight.

Im April hatten wir die Gelegenheit, ein faszinierendes Referat über die Restaurierung eines der weltweit nur noch vier erhaltenen Lilienthal Normal-Segelapparate zu erleben.

Dieses aussergewöhnliche Restaurierungsprojekt des Deutschen Museums ist nicht nur technisch äusserst anspruchsvoll, sondern auch kulturhistorisch von unschätzbarem Wert, da es eines der ersten flugfähigen Gleitflugzeuge der Geschichte repräsentiert.

Die Restaurierung erfordert ein Höchstmass an Präzision und interdisziplinärem Fachwissen, um die ursprünglichen Materialien und Konstruktionsmethoden möglichst authentisch zu bewahren. Ein wahrhaft einmaliges Unterfangen, das den Pioniergeist der Luftfahrtgeschichte lebendig hält.

Im Frühjahr beschäftigte ich mich intensiv mit den Holzmöbeln von Herculaneum (vgl. dazu das Buch «Wooden Furniture in Herculaneum» von Stephan T.A.M. Mols).

Seine eingehende Analyse ist herausragend, und ich empfehle sie allen, die sich für antike Möbel, das Leben in den vesuvianischen Städten oder die materielle Kultur der frühen Römischen Kaiserzeit interessieren.

Die Kunstfertigkeit der römischen Handwerker und ihre meisterhafte Beherrschung von Holz und Verbindungstechniken haben mich tief beeindruckt.

Ihre Errungenschaften wirken bis heute nach.

Buchcover: Wooden Furniture in Herculaneum - Form, Technique and Function von Stephan T.A.M. Mols
Kassettendecke aus dem Haus des Telephus-Reliefs in Herculaneum Bildquelle: Minerva Magazin

Eine der bedeutendsten Entdeckungen in Herculaneum in den letzten Jahrzehnten erfolgte 2009/10, als das eingestürzte Holzdach und Teile der Kassettendecke aus dem Haus des Telephus-Reliefs von einem verschütteten Strand geborgen wurden.


Diese Art von Kassettendecke sollte Jahrhunderte später Standard für Kirchen und Paläste in der italienischen Renaissance werden

👉🏽  Wooden wonders of Herculaneum

Während der Frühlingsferien arbeitete ich in meiner Werkstatt und stellte Schneidebretter mit Hirnholzleisten aus Nuss- und Ahornholz her.

Auch Exkursionen bereicherten mein Jahr: Im Juni besuchten wir das Bauerngerätemuseum in Ingolstadt. Die Ausstellung „Schmied und Schlosser“ führte uns zurück in die traditionellen Arbeitswelten von Dorfschmied und Schlosser. 
Im November besichtigten wir die Burg Trausnitz, die Stiftsbasilika St. Martin in Landshut und Schloss Sünching, dessen Deckenfresko von Matthäus Günther sowie die geschnitzten Genien mit Engel des Bildhauers Franz Ignaz Günther mich besonders beeindruckten.

Die Sommerferien führten mich nach Peru, mein Mutterland. Ich besuchte Familie und Freunde, erkundete Arequipa, das Heilige Tal der Inkas, Cusco und die Coricancha, das wichtigste Heiligtum des Inkareichs. Darin befindet sich der Tempel der Göttin Chaska (Venus, Isis, Aphrodite, Ištar bzw. Astarte in anderen Kulturen), nach der ich benannt wurde und die mir eine besondere Verbindung zu meiner kulturellen Herkunft verleiht.

Diese Reise verband mich tief mit meinen Wurzeln.

👉🏽 Die Spirale – Ausdruck der Lebensenergie

Kaum zurück, reiste ich nach Venedig zur Biennale Homo Faber. Besonders stolz bin ich, dass ich in den Homo Faber Guide aufgenommen wurde – und nun Teil dieses Netzwerks für europäisches Kunsthandwerk bin.

Der Besuch bei Marino Menegazzo, dem letzten Goldschläger Venedigs, war einer der Höhepunkte dieses Jahres.

Seine Kunst, Blattgold von Hand herzustellen, hat mich tief beeindruckt.

Marino Menegazzo, der letzte Goldschläger Venedigs

Im Herbst nahm ich mein Studium wieder auf und vertiefte mich in die Herstellung von Stuckmarmor.

Am 20. Oktober, dem Tag der Restaurierung, besuchte ich verschiedene Museen und Werkstätten. Wenige Tage später fand die Internationale Kunstmesse in der Residenz München statt, wo ich die Gelegenheit hatte, aussergewöhnlich kunstvolle antike Möbelstücke zu bewundern.

In meinen Herbstferien leitete ich den Holzbearbeitungskurs «Möbelherstellung aus Massivholz», in dem ich mit einem Kunden einen Beistelltisch aus Ahorn- und Nussbaumholz fertigte.

Ein weiteres Highlight war die Restaurierung eines Neo-Renaissance-Truhenschranks, den meine Kollegin und ich nach 235 Arbeitsstunden im November fertigstellten.

Kurz vor Weihnachten begann ein neues Projekt: die Figur des Hl. Damian sowie sechs Moriskentänzer warten auf ihre Restaurierung – eine spannende Herausforderung zu Beginn des Jahres 2025.

Moriskentänzer
Heiliger Damian

Ein grosser Dank geht an alle, die dieses Jahr so besonders gemacht haben. 💛

Chaska Schuler, Dezember 2024

Year in Review 2024

2024 was a year filled with unforgettable moments and inspiring encounters.

After the New Year, I continued my studies at the Goering Institute, and as 2024 comes to a close, I find myself halfway through my three-year training to become a restorer of furniture and wooden objects.

The year began with a special project: a solid wood board veneered with walnut and adorned with a delicate dragonfly marquetry. The piece was finished with a glossy shellac polish. In May, I completed a replica of a floral ornament by Ignaz Günther, carved from limewood and enhanced with traditional bole and oil gilding techniques, both of which captivate me.

I also delved deeply into the remarkable wooden furniture from Herculaneum (79 AD).

A self-forged scribing needle with a hardened tip and a nail puller was another highlight.

Field trips enriched my year as well: in June, we visited the Rural Equipment Museum in Ingolstadt, while in November, we explored Trausnitz Castle, the Collegiate Basilica of St. Martin, and Sünching Castle, with its impressive ceiling fresco by Matthäus Günther.

The summer holidays took me to Peru, my motherland. I visited Arequipa, the Sacred Valley of the Incas, Cusco, and the Coricancha, which houses the Temple of the Goddess Chaska (Venus) – after whom I am named. This journey deeply connected me with my roots.

Upon my return, I traveled to Venice for the Homo Faber Biennale. I am especially proud to have been featured in the Homo Faber Guide and to now be a part of this network of European craftsmanship. A highlight of my trip was meeting Marino Menegazzo, the last goldbeater in Venice. His skill in creating gold leaf by hand deeply impressed me.

After the summer, I focused on creating scagliola and restoring a Neo-Renaissance chest cabinet, which my colleague and I completed in November after 235 hours of work.

During the spring and autumn holidays, I worked in my workshop, crafting cutting boards with breadboard ends, and taught a woodworking course in which I guided a client in crafting a side table.

Thank you to everyone who made this year so special. 💛

Chaska Schuler, December 2024

Neo-Renaissance-Truhenschrank – Ein Zeugnis des späten 19. Jahrhunderts

Neo-Renaissance-Truhenschrank – Ein Zeugnis des späten 19. Jahrhunderts

The English text can be found below.

Dieser zweiteilige Truhenschrank, den ich zusammen mit meiner Kollegin restauriert habe, ist ein herausragendes Beispiel für die deutsche Neo-Renaissance (1870–1890). Das Möbel vereint typische Stilelemente der Gründerzeit mit handwerklichen Besonderheiten, die auf eine Fertigung im bäuerlichen Kontext schliessen lassen.

Konstruktion und Gestaltung:
Der Schrank besteht aus zwei nicht fest verbundenen Korpussen aus verschiedenen Holzarten (Nussbaum, Birke, Fichte), die sich in Maßen, Ausführung und Ornamentik unterscheiden. Die horizontale Gliederung erfolgt durch profilierte Leisten mit Hohlkehlen und Zahnschnitt-Ornamentik, während vertikale Pilaster mit Schuppenbändern und Diamantquaderungen das Design prägen.

Die Türen der unteren Truhe sind Rahmen-Füllungskonstruktionen, während die des oberen Korpus aus massivem Holz mit aufgeblendeten Zierleisten und Rundbogenmotiven bestehen. Besonders auffällig sind die geschnitzten Engelsköpfe mit feinen Akanthusranken, die sehr detailliert und feingliederig ausgeführt sind.

Kunsthistorische Einordnung:
Die Gestaltungselemente spiegeln die Stilmischung des 19. Jahrhunderts wider: Gründerzeit-Ornamentik kombiniert mit barocken Einflüssen in den Engelsmotiven.
Der Stil der Neo-Renaissance blühte als Teil des Historismus auf, einer Bewegung, die darauf abzielte, vergangene Stile wiederzubeleben.

Interessant ist die Diskrepanz zwischen aufwendiger Ornamentik und schlichter Ausführung, die auf eine regionale Werkstatt hinweist.

Wiederverwendete Beschläge wie geschmiedete Langbänder, Federschnäpper und Schliessbleche unterstreichen zudem die wechselnde Nutzungsgeschichte dieses faszinierenden Möbels.

Weitere Eindrücke zur Restaurierung des Neo-Renaissanc-Truhenschranks im folgenden Video:
Further insights into the restoration of the Neo-Renaissance chest cabinet in the following video:

Neo-Renaissance Chest Cabinet – A testament to the late 19th Century

This two-part chest cabinet, which I restored together with my colleague, is an outstanding example of German Neo-Renaissance design (1870–1890). The piece combines typical Gründerzeit stylistic elements with craftsmanship details indicative of production in a rural context.

Construction and Design:
The cabinet comprises two separate, unconnected sections made from various types of wood (walnut, birch, and spruce), differing in dimensions, execution, and ornamentation. Its horizontal structure is defined by profiled moldings with hollow chamfers and dentil ornamentation, while vertical pilasters decorated with scaled bands and diamond-shaped motifs accentuate the design.

The doors of the lower chest feature classic frame-and-panel construction, whereas those of the upper section are crafted from solid wood, embellished with applied moldings and arched motifs. Particularly striking are the carved angel heads with delicate acanthus foliage, executed with exceptional precision and intricacy.

Art Historical Context:
The design elements reflect the eclectic style of the 19th century: Gründerzeit ornamentation blended with Baroque influences in the angel motifs.

The Neo-Renaissance style flourished as part of Historicism, a movement that sought to revive past styles.

Notable is the contrast between elaborate ornamentation and simpler craftsmanship, suggesting production in a regional workshop.

Reused fittings such as forged strap hinges, spring latches, and strike plates further emphasize the evolving history of this fascinating piece of furniture.